SambatänzerTrakehner-Logo
SambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzerSambatänzer

Impressum

 

 

Legendäre Pferde:

Northern Dancer (1961-1990)

northern dancer

Nachdem Sinndar im Jahr 2001 als Ur-Ur-Enkel von Northern Dancer das englische Derby und den Prix de l’Arc de Triomphe gewann, machten Galileo und Imagine am zweiten Juni-Wochenende 2002 erneut an exponierter Stelle dicke Schlagzeilen für eine Vollblut-Dynastie, die mittlerweile als die mächtigste Europas, wenn nicht der ganzen Welt, gilt.

Als Sprösslinge von Northern Dancer’s überragendem Sohn Saddler’s Wells, siegten sie auf der traditionsreichen Bahn von Epsom im Derby und den Oaks.

Ähnliches ist man von dieser Familie, deren Leistungen wie ein Mirakel anmuten, freilich seit Jahren gewohnt – wobei man stets meint, dass mehr eigentlich nicht mehr möglich ist. Die Kinder und Kindeskinder des kleinen kanadischen Wunderhengstes beweisen aber immer wieder das Gegenteil. Deshalb gilt Northern Dancer in der Vollblutzucht längst als Steigerung aller Superlative. Für den genialen irischen Trainer Vincent O’Brien ist er einer der größten, wenn nicht gar der größte Vererber aller Zeiten.

Northern Dancer wurde am 27. Mai 1961 auf der Oshawa Farm in Ontario / Kanada geboren und war hervorragend gezogen. Er stammt von Nearctic a.d. Natalma und geht über seinen Vater Nearco in direkter männlicher Linie auf den Vollblutaraber Darley Arabian zurück, der 1704 von Syrien nach England kam und als der bedeutendste der drei Vollblut-Stammväter gilt. Nearctic war als Sieger von 21 Rennen auf der Bahn erstklassig und 1958 in Kanada "Pferd des Jahres".

Northern Dancer zeugte er in seiner ersten Gestüts-Saison - wobei ihm Natalma quasi als Verlegenheitslösung zugeführt wurde. Die von dem großen Native Dancer stammende Stute sollte nämlich noch laufen, wurde aber wegen eines Schadens aus dem Rennstall genommen und trotz der für eine Bedeckung relativ späten Jahreszeit sofort belegt. Wenn man so will, ist Northern Dancer also ein Zufallsprodukt - oder das Ergebnis einer Verbindung, die sich sozusagen en passant ergab und über die man sich kein großes Kopfzerbrechen machte. Wer in dieser Blitz-Hochzeit und ihrer für die Vollblutzucht so atemberaubenden Folgen jedoch mehr sehen möchte, kann getrost an das gezielte Walten des Schicksals glauben.

Als Jährling sah Northern Dancer zwar nicht gerade mickrig aus, war aber klein und wirkte etwas zurückgeblieben. Deswegen sollte er im Oktober 1962 auf einer Privatauktion seines Züchters Edward Plunket Taylor für 25.000 Dollar verkauft werden. Aber daraus wurde nichts. Während 15 Zuchtgefährten den Besitzer wechselten, blieb Taylor auf dem "Ladenhüter" Northern Dancer sitzen. Welches Glück der Industrielle, der seine Moneten hauptsächlich in der Bierbranche machte, bei dieser Gelegenheit hatte, konnte er damals freilich nicht ahnen. Stattdessen hoffte er, dass der kleine Hengst im Winter ordentlich wachsen und sich zu einem ganzen Kerl mausern würde. Körperlich groß wurde Northern Dancer freilich nie - denn er brachte es nur auf 1.55 Meter. Und das ist auch unter seinesgleichen alles andere als ein Gardemaß. Abgesehen davon entwickelte er sich aber zu einem kräftigen und kompakten Pferd, das vor Energie nur so strotzte.

Im Lot der Zweijährigen galt Northern Dancer allerdings als letzte Hoffnung. An das, was er im genetischen Marschgepäck an Empfehlungen mitschleppte, glaubte man wahrscheinlich nicht. Was sind schon Namen wie Nearco, Native Dancer, Hyperion, Mahmoud, Gainsborough oder Blenheim, wenn sich der Nachkomme solcher Koryphäen den Vorfahren offensichtlich nicht als ebenbürtig erweist?

Außerdem wollte den kleinen Kerl mit der massiven Hinterhand - die er später in der Regel auch vererbte - dem feinen Kopf, intelligenten Augen und aufmerksamen Ohren kaum jemand pilotieren. Denn Northern Dancer war eigenwillig, machte Zicken und war nicht selten reiterlos.

Als die Hoffnungen der Windfields Farm bei den Zweijährigen jedoch von Mal zu Mal schwanden, kam seine Stunde. Mit Ron Turcotte im Sattel gewann er in Fort Erie über 1 100 Meter sein erstes Rennen - wobei er mit den Gegnern Katz und Maus spielte. Damit stand fest, dass der Kleine etwas konnte.

Beim nächsten Start wurde Northern Dancer jedoch geschlagen, siegte aber anschließend wieder und holte sich bei seinem vierten öffentlichen Auftritt Kanadas wichtigstes Youngster- Rennen, das Coronation Futurity. Schließlich vereinnahmte er in New York noch die Remsen Stakes - und nun dämmerte es Edward Plunket Taylor, dass er mit dem lange Zeit scheel über die Schulter angesehenen kleinwüchsigen Hengst wahrscheinlich ein Pferd im Stall hatte, mit dem er das Kentucky Derby gewinnen könnte.

Northern Dancer machte seinen und den Traum jeden amerikanischen Züchters wahr. Mit den Siegen in den Flamingo Stakes, im Florida Derby und den Blue Grass Stakes in der Tasche, trat er 1964 zur größten Bewährungsprobe seiner Rennkarriere auf den Churchill Downs in Louisville an. Allerdings nicht als Favorit. Der hieß Hill Rise und hatte den späteren Weltrekord-Jockey Bill Shoemaker im Sattel. "The Shoe" hatte Northern Dancer im Florida Derby geritten, sich für das Pendant in Kentucky aber gegen ihn entschieden - und in der Beurteilung seiner Chancen, wie mancher seiner Zunft zuvor und danach bei ähnlichen Gelegenheiten, geirrt. Denn im wichtigsten Galopprennen Nordamerikas demonstrierte Northern Dancer über 2 000 Meter nicht nur sein enormes Galoppiervermögen und seinen fulminanten Speed, sondern offenbarte sich auch als unbeugsamer Kämpfer, der Hill Rise mit Hals-Vorsprung niederrang und das Kentucky Derby unter Bill Hartack in der neuen Rekordzeit von exakt 2 Minuten gewann.

Nur kurze Zeit später folgte der Sieg in den Preakness Stakes auf Chicago's Pimlico Rennbahn - und nun fehlte zur dreifachen Krone des USA-Turfs nur noch der Erfolg in

 

 

den Belmont Stakes von New York. Die aber werden über 2400 Meter gelaufen, so dass Northern Dancer der Weg schließlich zu weit wurde und am Ende "lediglich" der dritte Platz heraussprang. Mit dem Gewinn der Queen's Plate ging seine erste Karriere zu Ende. Doch das wusste damals noch keiner. Das Flugzeug zum Arlington Classic stand schon bereit, als Trainer Horatio Luro dem Hengst noch einen Trainingsgalopp verordnete. Dabei zog sich Northern Dancer auf knietiefem Boden einen Sehnenschaden zu, der ihn außer Gefecht setzte.

Insgesamt bestritt der kleine Braune 18 Rennen, in denen er vierzehnmal als Erster den Zielpfosten passierte und viermal platziert war. Seine Gewinnsumme beträgt 580 806 Dollar. Gemessen an dem, was Cracks seines Kalibers heutzutage zusammengaloppieren, verschlägt einem diese Summe nicht gerade den Atem. Aber mehr war nicht drin - denn damals hatten die Rennpreise nun mal nicht das jetzige Niveau. In seiner zweiten Karriere wurde Northern Dancer dafür zum Multimillionär.

Was er als Saisonarbeiter im Gestüt verdiente, ist in Heller und Pfennig allerdings nicht anzugeben. Die Aufzeichnungen der Windfields Farm sind in dieser Hinsicht Bücher mit sieben Siegeln. Man weiß aber, dass Northern Dancer die Pferdedamen stets für eine vergleichsweise hohe Taxe beglückt hat, die 1985 auf 1 Million Dollar stieg - wobei für die möglichen Folgen dieser Tete a Tete nicht garantiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt benötigte er übrigens schon ein extra für ihn angefertigtes Podest, um die ihm zugeführten Partnerinnen bedienen zu können.

Kein Hengst hat jemals solche Gebühren eingestrichen und bei den Züchtern solche Wertschätzung genossen. Das beweist auch ein Kaufangebot, das Mr. Taylor 1981für seinen Pascha erhielt. Es kam aus Frankreich, betrug für den immerhin schon 20 Jahre alten Hengst horrende 40 Millionen Dollar - und wurde abgelehnt.

Der Grund waren bestimmt nicht nur Sentiments. Rechnerisches Kalkül dürfte sicherlich auch eine Rolle gespielt haben. Denn Northern Dancer stand damals noch voll im Saft und hatte bei seiner Vitalität noch mehrere gute Jahre vor sich.

Zum Beispiel wurden 1984 auf der Keeneland Selected Yearling Sale acht Hengste und vier Stuten von ihm für 41.260.000 Dollar an den Mann gebracht. Zwei Jahre später kamen am selben Ort 304 Jährlinge in den Ring, von denen 84 von ihm, seinen Söhnen oder Enkeln stammten. Das waren 27 % des gesamten Angebots! Insgesamt wurden auf Auktionen 295 seiner 634 Nachkommen für 183.758.632 Dollar versteigert.

Northern Dancer wurde am 16. November 1990 nach anhaltenden Magen- und Darmkoliken im Alter von 29 Jahren eingeschläfert. Mit ihm verlor die internationale Vollblutzucht einen Vererber, der bereits zu Lebzeiten durch die Mitglieder seiner Familie mehr große Rennen gewonnen hatte als jeder andere seiner Kollegen. Beispielsweise siegten drei Sprösslinge von ihm im englischen Derby: Nijinsky, The Ministrel und Secreto - der dabei dem ebenfalls von Northern Dancer stammenden El Gran Senor das Nachsehen gab. Einige Jahre später kämpften mit Sharastani und Dancing Brave in Epsom zwei seiner Enkel um den Erfolg, wobei schließlich der Erstgenannte mit dem Blue Riband geschmückt wurde. Bei strengster Auswahl könnte man locker 25 Söhne von Northern Dancer nennen, die weltweit mit enormen Erfolg in der Zucht wirkten und wirken - tatsächlich sind es mehr als hundert! Alle Größen dieser einmaligen Hippo-Familie samt ihren Meriten auf der Bahn und im Gestüt aufzuzählen, ist hier eider unmöglich.

Genannt werden müssen aber noch Lyphardd, Nureyev, Be My Guest, Danzig, Fairy King, Storm Bird, Niniski, Green Dancer, Miesque, Caerlon, Salsabil, Ferdinand, Generous, Suave Dancer, Royal Academy, Lammtara, Danehill, Lure, Chiefs Crown, Tabasco Cat, Peintre Ce-Lebre und Montjeu. Sie alle hoben sich von der breiten Masse ihrer Artgenossen ab, verkörperten Brillanz und höchste Klasse, waren ehrlich, gesund und verfügten über eine hohe Grundschnelligkeit, durch die sie praktisch auf allen Distanzen eingesetzt werden konnten.

Hin und wieder gab's freilich auch einen Ausfall. Der größte war Snaafi Dancer, der 1982 für den damaligen Weltrekordpreis von 10.200.000 Dollar an Sheikh Mohammed bin Rashid al Maktoum von Dubai verkauft wurde. Snaafi Dancer sah nie eine Bahn und war auch im Gestüt ein Schlappschwanz.

Trotz solcher Flops wirken die Leistungen von Northern Dancer aber wie ein Wunder. Selbst die Zuchtexperten, die die genetischen Kuppeleien mit den emotionslosen Augen der Wissenschaft betrachten, müssten angesichts eines solchen Outputs an Erfolgen ins Schwärmen geraten. Wem Northern Dancer diese durchschlagende Leistungsvererbung verdankt, die ihn in jedem Pedigree zu einem Joker macht, ist nicht eindeutig zu erklären.

Jedenfalls muss es nicht unbedingt Nearco über seinen famosen Sohn Nearctic sein. Der renommierte Vollblut-Geneologe Dr. W. Kroll bemerkt nämlich sowohl im Exterieur als auch im Benehmen eine auffallende Ähnlichkeit mit Hyperion, dem mütterlichen Großvater von Nearctic.

Und der war auf der Rennbahn und im Gestüt ebenfalls ein Riese. Wie dem auch sei - fest steht, dass der kleine Kanadier in der Vollblutzucht Gigantisches und Einmaliges zustande gebracht hat. Man darf gespannt sein, wie seine Story sich weiter spinnt - denn der Clan der Northern Dancer’s ist mit seinem Latein offensichtlich noch lange nicht am Ende.

Armin Basche

northern dancer